Die Stuttgarter Hymnus-Chorknaben und Handel’s Company bringen zu Karfreitag unter der Leitung von Rainer Johannes Homburg Bachs Matthäuspassion in die Uracher Amandus-Kirche
BAD URACH. In der Stiftskirche St. Amandus in Bad Urach fand eine gut besuchte und bemerkenswerte Aufführung der Bach’schen Matthäuspassion statt: Es sangen die Stuttgarter Hymnus-Chorknaben und eine ansehnliche Solistenriege, assistiert von dem Alte-Musik-Ensemble Handel’s Company. Die Leitung hatte Rainer Johannes Homburg.
Derzeit finden die barocken Passionsoratorien von Johann Sebastian Bach regen Zuspruch. Wie das Weihnachtsoratorium haben die Johannes- und die Matthäuspassion weiter an Beliebtheit zugelegt, sowohl in der Gunst der Ausführenden wie des Publikums. Zwar ist der Aufwand enorm – man benötigt sehr gute Chöre, Solisten und Instrumentalensembles, und die Einstudierung braucht Zeit, doch diese Meisterwerke sind so prall voll mit herrlicher Musik, dass man noch jahrhundertelang auch abseits der Kirchenmusik von ihnen zehren wird.
Nun also erneut die zweichörige Matthäuspassion von Johann Sebastian Bach, entstanden 1727 in Leipzig, 1828/29 wiederentdeckt durch Felix Mendelssohn Bartholdy in Berlin. Dieses Frühjahr war sie in der Region in der Tübinger Stiftskirche zu erleben, dort aufgeführt von zwei gemischten Chören und einem „historischen“ Instrumentalensemble.
In Bad Urach gastierten nun die Stuttgarter Hymnuschorknaben, ein Knabenchor alter evangelischer Tradition (die Jungs tragen immer noch schwarze Kutte und weißen Kragen), seit 2010 geleitet von Rainer Johannes Homburg, der 1999 – damals noch in Lemgo – das begleitende Ensemble Handel’s Company mitgegründet hat.
„Erbarme dich“ mit der Mezzosopranistin Sarah Romberger und Monica Waismann (Violine).
Foto: Susanne Eckstein
Wie in Tübingen ist das Orchester zweigeteilt, ebenso der junge Chor. Die Solisten sind anders postiert; Evangelist und Jesus-Darsteller stehen rechts respektive links. Wer (ungewollt) die Hauptrolle spielt, wird nach dem weich schwingenden Eingangschor schnell klar: der Tenor Andreas Post als Evangelist. Seine helle Tenorstimme dringt in den hintersten Winkel, und er gestaltet seinen Erzählerpart so plastisch und eloquent, dass ihm die volle Aufmerksamkeit zufliegt.
Neben dieser dramatisch überzeichneten Leidensgeschichte geraten die Jesusworte von Christoph Schweizer ein wenig ins Hintertreffen, ebenso Alice Fuders leicht bewegliche, feine Sopranstimme und Johannes Helds Bass-Arien. Allein Sarah Romberger vermag mit ihrer nuancenreichen Gestaltung der Alt-Arien als gläubige Seele dagegen zu halten.
Zusammengehalten wird die etwas heterogen besetzte Aufführung durch das Sicherheit und Ruhe ausstrahlende, klare Dirigat von Rainer Johannes Homburg. Er hat „seine“ Hymnus-Chorknaben offenbar bestens präpariert und motiviert; sie meistern den Chorpart – ob andächtigen Choral, wütende Rufe („Kreuzige ihn“) oder vielschichtig-vielstimmigen Satz von Anfang bis Ende gleich sicher, rein und homogen. So könnte das damals in Leipzig geklungen haben. Auch die als „Soliloquenten“ bezeichneten Chorsolisten bewähren sich gut als Hohepriester, Pilatus oder Petrus.
Einen weichen, durchsichtigen Klanggrund liefert das doppelt besetzte, „historische“ Instrumentalensemble Handel’s Company mit einer Continuogruppe aus Truhenorgel, Theorbe und Bassgambe sowie dem das Ganze prägenden, kernigen Klang der Barockoboen; Traversflöte und Barockvioline begleiten gekonnt die Soloarien. Auch wenn im zweiten Teil die Konzentration etwas nachlässt, kann man zuletzt auf eine abgerundete, klangschöne Darbietung in der Nachfolge der Bach’schen Aufführungstradition zurückblicken.
Viel Applaus und teils stehende Ovationen.