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Kammermusik in Urach – Intensive Glut

Das Alinde-Quartett und der Pianist Maximilian Schairer eröffneten das kleine Kammermusikfestival in der Schlossmühle von Bad Urach

BAD URACH. Jedes Frühjahr findet in Bad Urach quasi als Gegenstück zu den „Herbstlichen Musiktagen“ ein kleines Kammermusikfestival statt. Zu Beginn noch dreitägig, treten seit ein paar Jahren an zwei Abenden ausgewählte Ensembles im Konzertsaal (Professor-Dr.-Willi-Dettinger-Saal) unterm Dach der Schlossmühle auf. Dieses Mal am Samstag das Alinde-Quartett mit dem Stuttgarter Pianisten Maximilian Schairer und am Sonntag das „Trio opus 8“, das erst vor kurzem mit einem fast identischen Programm in der Region zu erleben war (und deshalb nicht eigens besprochen werden soll).

Das noch junge Alinde-Quartett besteht aus Eugenia Ottaviano und Guglielmo Dandolo Marchesi (Violine), Gregor Hrabar (Viola) und Bartolomeo Dandolo Marchesi (Violoncello); alle erfolgreiche Interpreten, teils mit „historischem“ Hintergrund. Drei stammen aus Italien, zwei sind liiert, zwei verwandt. Sie haben sich ausgerechnet nach „Alinde“ benannt: einem späten, eher unbekannten Schubert-Lied (D 904), das vergleichsweise naiv wirkt und dessen Ruf nach der Geliebten rätselhaft endet.

Auch der erste Programmpunkt ist ein selten aufgeführtes Werk des Bad Uracher „Hausgottes“ Franz Schubert (1797 bis 1828): das Streichquartett B-Dur (D 36), neben anderem geschrieben von dem 16-jährigen Konviktszögling als Familien-Hausmusik, Experimentierfeld und Schülerarbeit; gedruckt wurden die frühen Quartette erst 1890 im Zuge der sog. Alten Schubert-Ausgabe. Schubert nahm nebenher Tonsatzunterricht bei Antonio Salieri, der großen Wert auf Sanglichkeit legte.

Die Kantabilität liegt auch den vier Quartettspielern am Herzen: Lächelnd lassen sie die Saiten singen und die späteren Charakteristika Schuberts durchscheinen. Mit wachen Sinnen widmen sie sich der Schülerarbeit, als wär’s ein Meisterwerk, und gehen allen Details akribisch nach, ohne das Ganze aus dem Auge zu verlieren. Im langsamen Satz heben sie gestaltend Nebenlinien und Schattierungen heraus, im „Menuetto“ den spielerischen Schwung, und den Finalsatz mit der unregelmäßigen Periodik steigern sie zu hoher Intensität.

Danach hat es Maximilian Schairer am Flügel schwer: Schuberts „Wanderer-Fantasie“ ist populär, und der pralle Klavierklang kann mit dem Streicherzauber kaum mithalten. Schairers Technik ist brillant, er meistert das hochvirtuose Werk nach dem Lied „Der Wanderer“, das Schubert selbst nicht bewältigte und später Liszt als Vorbild diente, auswendig und tadellos, vom dezidierten Hauptthema über das düstere Adagio und das wilde Aufbegehren bis zum furios fugierten Finale. Ob all das agogische Zögern und Dehnen, mit dem er die Noten zusätzlich versieht, in Schuberts Sinne ist, sei dahingestellt.

Schubert-Fan war auch Robert Schumann. Mit seinem Klavierquintett Es-Dur op. 44 hat er die Gattung begründet und seiner Frau Clara 1842 ein besonderes Geburtstagsgeschenk gemacht – entsprechend anspruchsvoll ist der Klavierpart, den in diesem Fall Maximilian Schairer übernimmt. Dafür, dass er mit dem Alinde-Quartett kein festes Ensemble bildet, passt er sich sehr gekonnt und sensibel an ihre differenzierte Interpretationshaltung an; nur Schumanns mechanische Läufe im Scherzo bringen ihn fast aus der Spur.

Im Ganzen ist ein geradezu sinfonisch gesetztes Werk einerseits und vorbildliches kammermusikalisches Zusammenspiel andererseits zu erleben: technisch sicher, ausgefeilt, einfühlsam und sorgsam ausbalanciert. In schwelgerischer Fülle entfaltet sich der Kopfsatz, die Kontraste werden gefühlvoll herausgearbeitet; der langsame Satz nach Art eines Trauermarsches lotet in trockener Tongebung und verhaltenem Duktus die Schumann’schen Abgründe aus.

Großer Beifall für den Pianisten Maximilian Schairer (Zweiter von links) und das Alinde-Quartett unterm Dach der Uracher Schlossmühle. Fotos: Susanne Eckstein

Die zwei weiteren Sätze wurden zu Schumanns Zeit (und später) oft als kompositorisch schwach abgelehnt. Das Alinde-Quartett mit Maximilian Schairer bringen sie nun effektvoll zur Geltung: die schnellen Läufe des Scherzos werden mit präziser Spielwut ernstgenommen und bravourös durchexerziert, der Finalsatz als eine Art fantasievolles Fazit nochmals zu intensiver Glut verdichtet. Das Publikum zeigt sich – zu Recht – begeistert, die Musiker danken für den lebhaften Applaus mit einer Wiederholung des Scherzo-Schlussteils.

Anmerkung: Durch eine fehlende Speicherung standen eine Weile lang der falsche Autorenname (Martin Bernklau) und die falsche Rubrik unter diesem Text von Susanne Eckstein. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

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