Im Festsaal der Tübinger Universität gastierte das russische Rastelli Cello Quartett
TÜBINGEN. Der Name klingt ein wenig nach Zirkus. Und eine Anmutung von Zirzensischem weht auch um die Musik des Rastelli Cello Quartetts. Oder eine heimliche Hommage an Charlie Chaplin („Oh! That Cello“). Aber seinen Namen hat sich das Ensemble nicht nach dem Jongleur, sondern nach Bartolomeo Francesco Rastelli gegeben, dem großen Architekten der russischen Zarenstadt St. Petersburg, woher es stammt. Die vier Musiker traten am Donnerstagabend in einem nicht gar so gut besetzten Festsaal der Tübinger Universität zum zweiten Konzert der Abo-Reihe von Kulturreferat und Museumsgesellschaft auf. Aber das eher kleine Publikum war hingerissen und begeistert.
Das vom Primarius launig moderierte Programm aus Arrangements, die – bis auf einen barocken Appetizer und eine spektakuläre Solo-Suite von Kirill Timofeev – Sergej Drabkin besorgt hatte, war im ersten Teil fast ganz russisch, mit georgisch folkloristischer Ergänzung. Die zweite Hälfte galt dem Rock, dem klassischen Rock der Siebziger.
Von einer „Weltpremiere“ juxte der Sprecher und kündigte zum Einstieg Antonio Vivaldis „La Follia“ an. Die Variationen klangen in dieser Besetzung natürlich schon irgendwie neu und gefielen mit einer ausgefeilten Dynamik.
Der „Tanz der Ritter“ dürfte mit seinen suggestiven Punktierungen das bekannteste Stück von Sergej Prokofjew sein. Kaum ein Gruselfilm kommt ohne dieses suggestive Motiv aus. Weshalb die Cellisten ihre Drabkin-Bearbeitung auch an den Anfang der fünf Tänze aus dem Ballett „Romeo und Julia“ setzten, und zwar mit dieser leisen, fast quälend dissonanten Einleitung, die sie so gespenstisch wie genüsslich auskosteten.
Arrangierte Musik bietet Freiheiten bis zum Übermut, weil es dabei kein originales, kein bindendes Klangbild ins Werk zu setzen gilt, sondern eine Variante. Manchmal merkte man, dass es dabei auch nicht so sehr auf absolute Präzision ankommt, sondern viel mehr auf den Spaß am gemeinsamen Musizieren, auf Spielerei im schönsten Wortsinn, auf subjektiven Eindruck und Ausdruck.
In der „Vokalise“ von Sergej Rachmaninow (1873 bis 1943), die so etwas wie Wagners „unendliche Melodie“ zelebriert, war das auch zu hören. Das Sangliche liegt dem Cello als Instrument ja besonders, weil es vom Frequenzgang her der menschlichen Stimme (neben dem Saxophon) am ähnlichsten ist oder am nächsten kommen soll. Das ließ sich hören, vervierfacht sozusagen, in schöner Gleichberechtigung auf vier Stimmen aufgeteilt.
Im Programm unangekündigt, durfte Krill Timofeev danach als „Thema mit Variationen“ eine eigene Suite darbieten, die das Vorbild Bach nicht verleugnet, so expressiv wie virtuos. Es gab Bravo-Rufe dafür. Ähnlich großen Beifall fand auch die Bearbeitung einer Georgischen Volkssuite von Sulchan Zinzadze (1925 bis 1991), die in sechs Sätzen vielfältige Farben, originell fremdartige, tänzerische Rhythmen und eine eigenartig ausdrucksstarke Melodik bot. Der Spaß an scharfen Dissonanzen, an Querständen, aber auch an Pizzicati oder aufs Celloholz geklopften Rhythmen war dem Quartett auch hier wieder anzumerken.
Der zweite Teil mit Rock-Hits aus den Siebzigern zwischen Rolling Stones und „Stairway to Heaven“ von Led Zeppelin musste da zum Selbstläufer werden. Nach dem Riesenerfolg mit sinfonischer Filmmusik war das ein zweiter Versuch, den Tübinger Festsaal-Konzerten eine ganz neue, zumindest etwas andere Art von klassischer Musik zu bieten. Dem Beifall nach hat das geklappt, dem Besuch nach noch nicht so ganz.
